Josef Guttenbrunner, vom Dezember 1979 bis Dezember 1982 Erster Präsident des Kärntner Landtages, zuvor fünf Jahre Dritter Landtagspräsident und elf Jahre Präsident des Landesschulrates, lebt heute mit seiner Tochter zurückgezogen im Haus am Teller Nr. 11 in Köttmannsdorf. Eine freundliche Zugehfrau hilft, den Alltag leichter zu bewältigen. Sie möchte, dass er sich für das Foto frisiert, was er entschieden ablehnt: „Meine Frisur war immer unordentlich, das ist man von mir gewöhnt“, sagt er schmunzelnd. Das Leben ist im Alter von 83 Jahren mühsam geworden, die Sehkraft lässt nach, und sich aus dem Sessel zu erheben braucht Zeit. Jedoch der Geist und das politische Interesse sind wach. Der Präsident, wie er noch immer respektvoll genannt wird, liest täglich vier Zeitungen und bringt zu Papier, „was wert ist, aufgeschrieben zu werden“.
A Meterstab, a
Globus und a Kreidn
Nach dem Krieg als Volksschullehrer in Ebenthal – Guttenbrunner ist heute Ehrenbürger dieser Gemeinde – konnte er sich mit den schlechten Bedingungen, unter welchen unterrichtet werden musste, nicht abfinden: „In einem verlotterten Schulhaus wurden in nur vier Klassenzimmern ohne Nebenräumen neun Klassen geführt!“ Mit dem Schulleiter ging er daher in eine Gemeinderatssitzung, und als ihm dort ein Bauer erklärte, dass „a Meterstab, a Globus und a Kreidn“ für das Unterrichten genügen müssten und dies auch noch unwidersprochen blieb, wusste Guttenbrunner, „dass die Regierung nichts schenkt“ und er sich selber werde anstrengen müssen. Damit war der Einstieg in die Politik fix. Die Bildungspolitik in Kärnten – Guttenbrunners besonderes Anliegen – trägt seine Handschrift. Er hat aber in all seinen Funktionen auch als Mensch Spuren hinterlassen, dem es wichtig war, immer eine Gesprächsbasis zwischen Regierung und Opposition, zwischen Mehr- und Minderheit herzustellen.
Soziale Basis der Partei schwindet
Die Schwierigkeiten, mit welchen die SPÖ heute zu kämpfen hat, sieht er auch in der Veränderung der Gesellschaft: „Durch die zweite industrielle Revolution ist der Partei die soziale Basis – der Arbeiter im eigentlichen Sinn des Wortes – immer mehr abhanden gekommen. Ähnliches passiert in der ÖVP mit dem Bauernstand. Außerdem hat man verlernt, mit dem Arbeiter zu reden, man hört ihm nicht mehr zu – das macht jetzt ein anderer …“
Vor zwei Jahren musste Josef Guttenbrunner mit dem Ableben seines „Sonnenscheins“ – wie er seine Gattin Maria liebevoll nennt – die wohl schmerzlichste Lebenserfahrung machen. Seine Tage sind stiller geworden, aber im nächsten Frühjahr will er die Stufen zur Gartentüre wieder überwinden und sich ins Auto setzen, um nicht länger ein „Luxusgefangener“ im schönen Eigenheim zu sein.
Mit besten Wünschen danken wir für das Gespräch mit einem Mann, von dem Zeitgenossen anerkennend sagen: „Er ist rotes Urgestein, und auf sein Wort kann man bauen!“
von Ingrid Offner